Praktische Tipps für Pädagogen zum Umgang
mit hyperaktiven Kindern
... und noch ein paar Stichworte für den Umgang und den Unterricht
mit dem hyperkinetischen Kind.
nach:
Cordula Neuhaus,
Dipl. Psychologin, Dipl. Heilpädagogin, Kinderpsychologin
Esslingen
- Das hyperkinetische Kind stört und zappelt nicht
mit Absicht, es kann sich nur schwer steuern durch seine Ablenkbarkeit und
ist immer auf einem höheren Erregungsniveau als andere Kinder.
- Strecken und warten, bis man aufgerufen wird kann
das hyperkinetische Kind oft erst in der 5. oder 6. Klasse leisten
- ermahnen nützt nichts - steigert nur das Erregungsniveau -
entweder das Kind in den Unterricht kräftig mit einbinden oder Hineinrufen
ignorieren, rsp. bei deutlichem Stören kurz zum Kind gehen, Körperkontakt
aufnehmen und mit kurzen, deutlichen, gelassenen Instruktionen (Stop, ich
glaube jetzt geht es los) beruhigen.
Je gelassener und deutlicher die Instruktion, desto schneller erfolgt
Beruhigung!
- Das hyperkinetische Kind leidet oft an
Sprachdurchfall, d.h. Dauermotzen, schlimmen Ausdrücken, die es in der
Regel nicht von zu Hause kennt. In der Regel erfolgt dies, wenn die Kinder
sich motorisch besser steuern können, es länger aushalten, sitzen
zubleiben.
(Irgendwie muss der Hypie eben klappern.)
- Diese Verbalisationen sind nie absichtlich
persönlich gegen jemanden gemeint, sondern primär ungesteuerte
Unmutsäußerungen.
Bei steigender Erregung, z.B. hervorgerufen durch moralisierendes Eingreifen
des Erziehers, kann es zu scharf formulierten persönlichen Attacken kommen,
die oft sehr verletzend sein können.
Einerseits durch die extreme Auffassungsgabe trotz Aufmerksamkeitslabilität
und andererseits durch das große Bedürfnis, sich dem Erregungsniveau
entsprechend auszutoben, kommt es zu solchen Entladungen, die dem
hyperaktiven Kind (wesentlich später bei Konfrontation) leid tut und
peinlich sind.
DAHER: nicht persönlich nehmen, sondern gelassen und direktiv das Kind
unterbrechen und unter Umständen aus dem Raum entfernen.
- Mit Zureden ist der Hypie nicht zu motivieren.
- Kritisieren an Kleinigkeiten (setz dich jetzt mal
schön hin) provoziert ihn.
- Reaktionen des Erziehers auf verbale Androhungen des
Kindes (ich steh jetzt gleich auf und schreie ganz grässlich, ich mache
das nicht) mit Strafandrohungen steigern usw. das Erregungsniveau. Am
besten sofort etwas raunzig-humorig reagieren, brummeln (ja, ja, ich
glaube Dir das wohl, ich glaube Du hast ein Rad ab) ohne
moralische Ansinnen - oder einfach ignorieren.
- Kommt es irgendwann (natürlicherweise, auch
Lehrer sind nur Menschen!) mal zum Eklat, Kind aus der Situation
rausholen = aus der Klasse nehmen. Nach ca. 3 - 5 Minuten nach ihm schauen,
bei Beruhigung sofort normal weitermachen, zum Tageston übergehen.
NIE NACH DEM EKLAT "NACHMORALISIEREN" - steigert nur sofort wieder
das Erregungsniveau (nun über das schlechte Gewissen).
- Strafarbeiten helfen nicht - außer zu
stigmatisieren und den Hypie in die problematischste Zone seiner
Selbststeuerungsproblematik zu treiben: das Abschreiben. Der Schulkonflikt
wird so nach Hause verlagert!
- Anrufe zu Hause und Klagen über das Kind stressen
nur gestresste Eltern - sie wissen um das Problem, können aber in der
Schulsituation nichts ändern. Transfer ist nicht möglich, da die Situation
der Schule im hier und jetzt entsteht.
Im Gegenteil: Mahnungen der Eltern zu Hause steigern nur das
Erregungsniveau!
- Je strukturierter ein Unterricht, desto besser für
den Hypie (Impliziert: Wörter abfragen, Hausaufgabenkontrolle,
Heftführungskontrolle).
- Der Hypie sollte in aufmerksamkeitsintensiven
Situationen (= Klassenarbeiten, Stickarbeiten etc.) allein sitzen, - nicht
als Strafe, als Hilfe - bitte auch so erklären!
- Feste Regeln im Schulalltag helfen allen Kindern -
insbesondere dem Hypie.
- Ein aufmerksamkeitslabiles Kind trödelt -
Privatvertrag machen - auch für anderes Störverhalten hilfreich. (Es gibt
einen Punkt, wenn Du am Anfang der Mathestunde alles genau so schnell parat
hast wie die anderen - Abrechnung erfolgt täglich/wöchentlich, je nach
Lebensalter mit Erfolgsmeldung und Konsequenz).
- Störungen in der Pause: Kein Petzen zulassen
- der Hypie wird provoziert und reagiert übermäßig!
Am besten: das Volk auseinanderdividieren und zur Tagesordnung
übergehen = beste Prophylaxe zur Klassenkasper- und Sündenbockentwicklung.
- Nie den Hypie mit seinen Schwächen bloßstellen (große
Klappe, aber 66.000 Fehler beim Abschreiben).
- Im Sport: Der Hypie steigert sich auch
motorisch in die Erregung via motorischem Agieren hinein, d.h., je mehr
getobt werden darf, desto mehr kreiselt er. Am Schluss der Stunde daher sinnvollen
motorisch-aktiven Auftrag geben (schwere Matte von A nach B zerren) - dann
kann der Hypie sich ruhig umkleiden.