Praktische Tipps für Pädagogen zum Umgang mit hyperaktiven Kindern

 

 

... und noch ein paar Stichworte für den Umgang und den Unterricht
mit dem hyperkinetischen Kind.

nach:

Cordula Neuhaus,
Dipl. Psychologin, Dipl. Heilpädagogin, Kinderpsychologin
Esslingen

  1. Das hyperkinetische Kind stört und zappelt nicht mit Absicht, es kann sich nur schwer steuern durch seine Ablenkbarkeit und ist immer auf einem höheren Erregungsniveau als andere Kinder.
  2. Strecken und warten, bis man aufgerufen wird kann das hyperkinetische Kind oft erst in der 5. oder 6. Klasse leisten
    - ermahnen nützt nichts - steigert nur das Erregungsniveau -
    entweder das Kind in den Unterricht kräftig mit einbinden oder Hineinrufen ignorieren, rsp. bei deutlichem Stören kurz zum Kind gehen, Körperkontakt aufnehmen und mit kurzen, deutlichen, gelassenen Instruktionen (Stop, ich glaube jetzt geht es los) beruhigen.
    Je gelassener und deutlicher die Instruktion, desto schneller erfolgt Beruhigung!
  3. Das hyperkinetische Kind leidet oft an Sprachdurchfall, d.h. Dauermotzen, schlimmen Ausdrücken, die es in der Regel nicht von zu Hause kennt. In der Regel erfolgt dies, wenn die Kinder sich motorisch besser steuern können, es länger aushalten, sitzen zubleiben.
    (Irgendwie muss der Hypie eben klappern.)
  4. Diese Verbalisationen sind nie absichtlich persönlich gegen jemanden gemeint, sondern primär ungesteuerte Unmutsäußerungen.
    Bei steigender Erregung, z.B. hervorgerufen durch moralisierendes Eingreifen des Erziehers, kann es zu scharf formulierten persönlichen Attacken kommen, die oft sehr verletzend sein können.
    Einerseits durch die extreme Auffassungsgabe trotz Aufmerksamkeitslabilität und andererseits durch das große Bedürfnis, sich dem Erregungsniveau entsprechend auszutoben, kommt es zu solchen Entladungen, die dem hyperaktiven Kind (wesentlich später bei Konfrontation) leid tut und peinlich sind.
    DAHER: nicht persönlich nehmen, sondern gelassen und direktiv das Kind unterbrechen und unter Umständen aus dem Raum entfernen.
  5. Mit Zureden ist der Hypie nicht zu motivieren.
  6. Kritisieren an Kleinigkeiten (setz dich jetzt mal schön hin) provoziert ihn.
  7. Reaktionen des Erziehers auf verbale Androhungen des Kindes (ich steh jetzt gleich auf und schreie ganz grässlich, ich mache das nicht) mit Strafandrohungen steigern usw. das Erregungsniveau. Am besten sofort etwas raunzig-humorig reagieren, brummeln (ja, ja, ich glaube Dir das wohl, ich glaube Du hast ein Rad ab) ohne moralische Ansinnen - oder einfach ignorieren.
  8. Kommt es irgendwann (natürlicherweise, auch Lehrer sind nur Menschen!) mal zum Eklat, Kind aus der Situation rausholen = aus der Klasse nehmen. Nach ca. 3 - 5 Minuten nach ihm schauen, bei Beruhigung sofort normal weitermachen, zum Tageston übergehen.
    NIE NACH DEM EKLAT "NACHMORALISIEREN" - steigert nur sofort wieder das Erregungsniveau (nun über das schlechte Gewissen).
  9. Strafarbeiten helfen nicht - außer zu stigmatisieren und den Hypie in die problematischste Zone seiner Selbststeuerungsproblematik zu treiben: das Abschreiben. Der Schulkonflikt wird so nach Hause verlagert!
  10. Anrufe zu Hause und Klagen über das Kind stressen nur gestresste Eltern - sie wissen um das Problem, können aber in der Schulsituation nichts ändern. Transfer ist nicht möglich, da die Situation der Schule im hier und jetzt entsteht.
    Im Gegenteil: Mahnungen der Eltern zu Hause steigern nur das Erregungsniveau!
  11. Je strukturierter ein Unterricht, desto besser für den Hypie (Impliziert: Wörter abfragen, Hausaufgabenkontrolle, Heftführungskontrolle).
  12. Der Hypie sollte in aufmerksamkeitsintensiven Situationen (= Klassenarbeiten, Stickarbeiten etc.) allein sitzen, - nicht als Strafe, als Hilfe - bitte auch so erklären!
  13. Feste Regeln im Schulalltag helfen allen Kindern - insbesondere dem Hypie.
  14. Ein aufmerksamkeitslabiles Kind trödelt - Privatvertrag machen - auch für anderes Störverhalten hilfreich. (Es gibt einen Punkt, wenn Du am Anfang der Mathestunde alles genau so schnell parat hast wie die anderen - Abrechnung erfolgt täglich/wöchentlich, je nach Lebensalter mit Erfolgsmeldung und Konsequenz).
  15. Störungen in der Pause: Kein Petzen zulassen - der Hypie wird provoziert und reagiert übermäßig!
    Am besten: das Volk auseinanderdividieren und zur Tagesordnung übergehen = beste Prophylaxe zur Klassenkasper- und Sündenbockentwicklung.
  16. Nie den Hypie mit seinen Schwächen bloßstellen (große Klappe, aber 66.000 Fehler beim Abschreiben).
  17. Im Sport: Der Hypie steigert sich auch motorisch in die Erregung via motorischem Agieren hinein, d.h., je mehr getobt werden darf, desto mehr kreiselt er. Am Schluss der Stunde daher sinnvollen motorisch-aktiven Auftrag geben (schwere Matte von A nach B zerren) - dann kann der Hypie sich ruhig umkleiden.