Reaktionen der Umwelt

 

Es ging um einen Jungen, der zu Hause erzählt hat, dass andere Kinder im Kindergarten sich auf Weisung ihrer Eltern nicht mit ihm abgeben dürfen. Und es ging darum, dass in einem kleinen Ort die Leute immer wieder der Mutter sagten, das Kind sei unerzogen.

Liebe S......,

mit Deinen Problemen leben fast alle Eltern von Kindern mit ADD. Die Umwelt ist das größte Problem.

Ich erinnere mich gut meiner Kindheit, es waren die ersten Schuljahre. Nein, ich hatte keinen richtigen Freund! Zwei Kumpels gab es da, wir hatten die gleichen Interessen, das Stromern im Wald. Der eine war das absolute Schulass, der andere der Sohn des Försters. Es kam nicht oft vor, aber wenn, dann waren wir 3 im Wald glücklich. Aber irgendwann flaute das Ganze ab. Andere Kinder lehnten mich irgendwann ab, weil meine Phantasien zur "Weltverbesserung" ihnen zu weit gingen. Aber in der Schule war ich der King, die Einfälle den Unterricht "aufzulockern" wurden von allen sehr gern gesehen. Den größten Erfolg hatte ich, als ich einen Lehrer im Lokus eingesperrt hatte, die Lokalität lag unmittelbar an einem viel begangenen Weg, Hilferufe hätten die Passanten aufmerksam gemacht! -grins- Die Freistunde wurde von allen genossen. Oder als ich mit Panzerkette und Stahlschloss die Fahrräder von Pastors Familie am Pfarrhaus ankette, kurz vor einem Familienausflug! -grins-

Nein nun ernsthaft, es ist sehr schwer, und wenn dann noch die Eltern der Kinder mit Kontaktverboten eingreifen wird es dramatisch. Leider bin ich noch nicht soweit, irgendwelche Ratschläge zu geben, wie ein ADD-ler Freunde gewinnen kann, werde es wohl nie sein! Erfahrungen besagen, dass oft gute Beziehungen zu jüngeren Kindern bestehen und das sich gleich und gleich gesellt, wobei es da immer zu Reibereien kommt.

Aber zum Umgang mit Deinem Kind, da habe ich vielleicht etwas zu sagen. Versuche doch einmal über ein wenig des Folgenden nachzudenken:

1) Es bringt nichts, ständig zu ermahnen und Vorhaltungen zu machen. Besser ist eine verständnisvolle, positive und liebevolle Annahme des Kindes. Das Kind will ja nicht "böse" sein, es kann sich nicht anders verhalten.

2) Man versuche in der verbalen Wertung und im eigenen Denken die "Verhaltensauffälligkeiten positiv zu bewerten, also statt Unruhe, Lebendigkeit, statt Ablenkbarkeit, das Kind bekommt viel mit, statt Impulsivität, das Kind zeigt spontan seine Gefühle.

3) Lob für die oft prosozialen Verhaltensweisen ist angesagt, wie die Mühe, Dinge richtig zu machen, die Einfühlsamkeit und die spontane Hilfsbereitschaft gegenüber anderen, die Probleme haben, der oft umsichtige Umgang mit Kleineren, der Kampf gegen Ungerechtigkeit gegen sich und andere, ihr Witz und ihr Humor. So stärkt man das Selbstwertgefühl und bringt Hilfe beim Umgang mit Anderen.

4) Reizentlastung und Regelmäßigkeit in den Abläufen sind besonders wichtig. Wähle kurzgefasste und klare Aufgabenstellungen, und immer nur eine zur Zeit.

5) Nicht in die Sackgasse geraten zu sagen, "Du könntest ja, wenn Du wolltest"!

6) Und wenn dann wieder ein "Nein" kommt, bewerte es nicht über. Oft ist es eine Schutzreaktion vor Aufgaben, denen sich das Kind nicht gewachsen fühlt! Nicht "Nein" mit "Nein" beantworten, dann eskaliert das Ganze! Gib einfach Alternativen, sage nicht auch "Nein", sondern versuche es mit Na vielleicht solltest Du ...."

7) Noch einmal, gib Alternativen, sag nicht, Du musst, Frage, wann würdest Du!

8) Es ist am Anfang immer besser, wenn ein ADD-ler mit einem Kind spielt, in der Gruppe ist es schnell überfordert! Erst im Laufe der Zeit kann es lernen, auch mit der Gruppendynamik umzugehen und sich zu behaupten.

9) Strukturiere vor allem Aufträge! Einzelne Anweisungen, keine pauschalen Aufgaben!

10) Das alles heißt nun nicht, dass ein Kind mit ADD alles darf und kann! Es gilt Grenzen zu ziehen! Kleinigkeiten übersehen, bei wichtigen Sachen Konsequenz! Das Kind muss lernen mit seinem Anderssein umzugehen und sich trotzdem zu integrieren.

11) Wenn es im Nest auch schwer ist, lass die Leute reden, die reden über jeden! Gehe Deinen Weg, Euren Weg, im Interesse des Kindes.

Ich weiß, solche Weisheiten redet man einfach daher, die Praxis ist unendlich schwer! Aber denke bitte darüber nach, sicher findest Du etwas dabei, was auch Euch hilft.

Hans